Macht Minergie Vorgaben zur Raumtemperatur?
Minergie macht keine Vorgaben, auf welche Raumtemperatur mindestens geheizt werden muss oder maximal darf. Wir übernehmen in unseren Standards die Behaglichkeitsanforderungen aus dem SIA-Normenwerk, die auch für Nicht-Minergie-Gebäude gelten.
Minergie steht für KEK: Komfort, Effizienz und Klimaschutz. Komfort bedeutet, dass sich die Nutzenden eines Gebäudes wohl fühlen sollen. Dazu gehört auch, dass für jedes Gebäude die Idealtemperatur individuell eingestellt werden kann. Bitte beachten Sie, dass eine an die Jahreszeit angepasste Kleidung, Ihre Hausschuhe sowie die Beschaffenheit des Bodenbelags ebenfalls einen Einfluss auf das Wärmeempfinden haben.
Stellen Sie am Thermostat oder an den Heizköperventilen Ihre bevorzugte Raumtemperatur ein. Beachten Sie die verzögerte Reaktionszeit verschiedener Heizsysteme (z. B. Bodenheizung) und vermeiden Sie so eine Überkorrektur. Konsultieren Sie Ihren Hauswart oder Ihre Verwaltung sollte Ihre Heizung nicht wie gewünscht funktionieren.
Bitte beachten Sie folgende Grundregeln vom Bundesamt für Energie (BFE):
1. Nutzen Sie die Wärme effizient: Warme Luft muss ungehindert in den Räumen zirkulieren können. Daher sollten Sie die Heizkörper weder mit Möbeln noch mit Vorhängen verdecken. Schliessen Sie nachts die Roll- und Fensterläden, damit die Räume weniger auskühlen.
2. Lüften Sie sinnvoll, effizient und nur wenn nötig. Ständig geöffnete Kippfenster verschwenden viel Energie und verbessern die Luftqualität nur wenig. Öffnen Sie stattdessen dreimal am Tag mehrere Fenster in Abhängigkeit der Aussentemperatur für einige Minuten. Durch dieses kurze Querlüften entweicht weniger Wärme, und es gelangt mehr frische Luft ins Haus als bei geöffneten Kippfenstern. Zusätzlicher Vorteil: Die Luftqualität wird dadurch besser. Bei Gebäuden mit einer kontrollierten Wohnungslüftung erfolgt dies automatisch. Auch bei Minergie-Gebäuden dürfen die Fenster nach Bedarf geöffnet werden.
3. Stellen Sie die Temperatur richtig ein: Regulieren Sie die Wärme nie durch das Öffnen der Fenster, sondern bewusst durch die entsprechende Einstellung des Raumthermostates oder der Thermostatventile. Mit ihnen lässt sich die Wärme bequem in jedem Raum auf demjenigen Niveau halten, bei dem Sie sich am wohlsten fühlen. Übliche Durchschnittswerte für die einzelnen Räume:
- 22 bis 23 Grad Celsius in Badezimmern
- 20 bis 21 Grad Celsius im Wohn- beziehungsweise Aufenthaltsbereich
Die genannten Temperaturen sind Richtgrössen, welche auf den normativen Grundlagen und den darin definierten Rahmenbedingungen für die Behaglichkeit beruhen. Eine «korrekte» Raumtemperatur gibt es nicht. Die Behaglichkeit ist individuell. Zu beachten ist, dass mit jedem Grad erhöhter Raumtemperatur die Heizkosten um rund 6 bis 10 Prozent ansteigen können. Ein möglichst bedarfsangepasstes Einstellen und das richtige Verhalten lohnen sich in jedem Fall.
Weshalb macht der Bundesrat die Aussage, dass in einem Minergie-Gebäude 19 bis
20 Grad Celcius als Normaltemperatur gelten?
1. 2016 wurde durch das Kantonsgericht Genf ein Streitfall beurteilt. Es ging um eine Wohnung, die die Normaltemperatur (20 bis 21 Grad Celcius) regelmässig um 3 bis 5 Grad Celsius überschritt. Also eine zu warme Wohnung.
2. Im Rahmen des Urteils hat ein «Zeuge D» («témoin D___») folgende Aussage gemacht:
«Im vorliegenden Fall liegt laut dem Zeugen D_____ die empfohlene Temperatur für eine Wohnung zwischen 20 und 21 Grad Celcius und die durchschnittliche Temperatur in Minergie-Gebäuden liegt bei 19 bis 20 Grad Celcius.»
Es wird nicht begründet, warum bei Minergie-Gebäuden ein Unterschied bestehen soll zu konventionellen Bauten. Die Aussage des Zeugen D wird nicht weiter überprüft oder fachlich beurteilt. Hier liegt also mutmasslich der Ursprung der Falschaussage, dass in Minergie-Gebäuden eine andere Normaltemperatur herrsche als in normalen Gebäuden. Zu begründen, warum Menschen es mögen, dass in einem Gebäude idealerweise 19 Grad Celcius statt 21 Grad Celcius herrschen, nur weil es Minergie zertifiziert ist, wäre ein spannendes Vorhaben.
3. Das Urteil des Genfer Kantonsgerichts wurde in der Folge durch das Bundesgericht in zwei Fällen zitiert. Es beruft sich sowohl im Urteil 4a_577/2016 als auch im Urteil 4A_581/2016 darauf. Die Aussage zu Minergie wurde in den Berufungsverfahren nie bestritten. Deshalb hat das Bundesgericht diese Aussage in beiden Urteilen ungeprüft übernommen (oder «materiell nicht geprüft»). Die Aussage war für die jeweiligen Rechtsstreite allerdings auch nicht zentral.